JULIAN.
Und was wird des Reiches Schicksal sein, wenn ich jetzt schwanke? Ein hinfälliger Kaiser, und nach ihm auf dem Herrscherthron ein unmündiges Kind; Zwist und Aufruhr; – ein Kampf aller gegen alle, um die Macht an sich zu reißen. – Jüngst hatte ich nächtens ein Gesicht: eine Gestalt mit einem Glorienschein ums Haupt erschien mir; sie sah mich grollend an und sprach: Wähle! Dann verflog sie wie aufsteigender Morgendunst. Bisher hatte ich mir dieses Gesicht in ganz anderer Richtung ausgelegt, – aber jetzt, da ich von der bevorstehenden Heirat des Kaisers erfahren habe, – ja, in der Tat, jetzt heißt es wählen, eh’ das Verderben über das Reich hereinbricht. Ich denke nicht an eigenen Vorteil, – aber darf ich die Wahl ablehnen, Sallust? Und ist es nicht meine Pflicht gegen den Kaiser mein Leben zu verteidigen? Habe ich ein Recht dazu, die Hände in den Schoß zu legen und auf die Mörder zu warten, die er in seiner wahnsinnigen Angst dingt, mich niederzustoßen? Habe ich ein Recht dazu, dem unglücklichen Konstantios Gelegenheit zu geben, neue Blutschuld auf sein sündenschweres Haupt zu laden? Ist es nicht besser für ihn, – wie es in den Schriften heißt, – daß er Unrecht leide, als daß er Unrecht tue? Wenn also das, was ich meinem Vetter zufüge, ein Unrecht genannt werden kann, so meine ich, dieses Unrecht wird dadurch ausgeglichen, daß es meinen Vetter verhindert, mir ein Unrecht zuzufügen. Ich glaube, Platon wie Mark Aurel, Sophias gekrönter Bräutigam, würden mir darin beistimmen. Es wäre jedenfalls keine ganz unwürdige Aufgabe für die Weisheitsfreunde, mein lieber Sallust! – O, hätte ich doch Libanios hier!